Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

CO2-Mineralisierung in der Zementindustrie: Experten fordern bessere Daten zu gesellschaftlichen Auswirkungen

25.02.2022

Als einer der Hauptverursacher des Klimawandels muss der Zementsektor seine CO2-Emissionen drastisch reduzieren. Eine vielversprechende Technologie ist die CO2-Mineralisierung, bei der das klimaschädliche Gas in Mineralien dauerhaft gebunden wird. Um der Technologie den nötigen Schub zu geben, bedarf es allerdings der Unterstützung durch Interessengruppen. IASS-Forschende haben untersucht, welche Prioritäten Fachleute bei der Weiterentwicklung der CO2-Mineralisierung setzen.

Als großer Emittent von Treibhausgasen muss die Zementindustrie ihre Emissionen rasch senken.
Als großer Emittent von Treibhausgasen muss die Zementindustrie ihre Emissionen rasch senken.

Die CO2-Mineralisierung gilt als große Chance auf dem Weg zur Klimaneutralität, weil Kohlendioxid so dauerhaft gespeichert wird und das entstehende Produkt herkömmlichen Zement sogar teilweise ersetzen kann. Für den Einsatz der CO2-Mineralisierung müssen allerdings nicht nur technische Hindernisse überwunden werden: Erforderlich ist auch die Unterstützung relevanter Akteure, und zwar bereits dann, wenn in der Industrie und der Politik über bestimmte technologische Pfade entschieden wird.

Gesundheitliche Auswirkungen eingesetzter Chemikalien zu wenig erforscht

IASS-Forschende fragten Expertinnen und Experten aus Industrie, Start-ups, Wissenschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen nach ihren Prioritäten bei der Unterstützung der CO2-Mineralisierung, ihrer Wahrnehmung der Leistungsfähigkeit von CO2-Mineralisierungskonzepten und ihren Schwerpunkten in der Kommunikation, wenn sie anderen Gruppen CO2-Mineralisierungstechnologien vermitteln sollen. Dabei verfolgten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Ansatz, der ökologische, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der CO2-Mineralisierung einbezieht.

Ihre Ergebnisse zeigen, dass alle Interessengruppen den sozialen Auswirkungen – Gesundheit, Arbeitsplätze, Kostenverteilung, öffentliches Bild der veränderten Branche – von CO2-Mineralisierungstechnologien höchste Priorität einräumen. Besonders im Fokus steht die Gesundheit. Zwar gilt der Mineralisierungsprozess selbst als gesundheitlich unproblematisch, da keine gefährlichen Stoffe eingesetzt werden. Aber erste Berechnungen haben ergeben, dass die bei der CO2-Abscheidung eingesetzten Chemikalien die Gesundheitsrisiken erhöhen könnten. Hier ist laut den Autorinnen und Autoren noch genauere Forschung zu den verschiedenen Abscheidungsmethoden notwendig.

Umwelt- und Wirtschaftskriterien sind den meisten gleich wichtig

„Es hat uns überrascht, dass für einen Großteil der Befragten soziale Aspekte bei der Bewertung von CO2-Mineralisierung an erster Stelle stehen“, sagt Erstautor Till Strunge. „Somit sind detailliertere Kenntnisse darüber notwendig, wie man negative Gesundheitsfolgen verhindert, die Kosten gerecht verteilt und positive Beschäftigungseffekte erzielt, um Investitions- und Finanzierungsentscheidungen für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich zu treffen.“

Hohes Gewicht räumen viele der Befragten zudem der Reduzierung des Kohlenstoff-Fußabdrucks von Zement ein. Besonders Expertinnen und Experten von Nichtregierungsorganisationen gewichten Umweltkriterien etwas höher als wirtschaftliche Kriterien. Für die Befragten aus den anderen Interessengruppen sind beide Aspekte etwa gleich wichtig.

Andere Kriterien, etwa das öffentliche Image der Industrie, die CO2-Mineralisierung einsetzt, die Fairness bei der Kostenverteilung, die Ausbeutung von fossilen und Metallressourcen, das Wachstum der Branche und Kapitalkosten spielen für die meisten Expertinnen und Experten eine geringere Rolle. Der Zementpreis wird von den Fachleuten mit Industrie- oder Start-up-Hintergrund als wichtiger eingestuft als von anderen.

Wenn es darum geht, verschiedene Zielgruppen von der CO2-Mineralisierung als Zukunftstechnologie zu überzeugen, passen die Befragten ihre Kommunikationsstrategien an die spezifischen Anliegen jeder Gruppe an. Bei der Kommunikation mit Kunden und der Öffentlichkeit etwa sehen sie wirtschaftliche Aspekte als am wichtigsten an, bei der Ansprache von politischen Entscheidungsträgern und potenziellen Geldgebern haben jedoch Umweltaspekte Vorrang.

Die Ergebnisse können Investoren, Managern und politischen Entscheidungsträgern dabei helfen, die Prioritäten verschiedener Interessengruppen bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen – für eine erfolgreiche Entwicklung und Implementierung von CO2-Mineralisierungspfaden.

Strunge, T., Naims, H., Ostovari, H., Olfe-Kräutlein, B. (2022): Priorities for supporting emission reduction technologies in the cement sector – A multi-criteria decision analysis of CO2 mineralisation. - Journal of cleaner production, 340, 130712.
https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2022.130712

 

Kontakt

Bianca Schröder

Dr. Bianca Schröder

Referentin Presse und Kommunikation
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